Circus Balloni – Ein Highlight für alle
in Schulort
Marco steht mit je einem Fuss auf den oberen Sprossen zweier Leitern und strahlt ins Publikum. Applaus brandet auf und sein Lachen wird noch breiter.
Es ist Zirkuszeit im Johanneum – der Zirkus Balloni ist zu Gast! Doch trifft es der Begriff „zu Gast“ nicht genau: Balloni ist während einer Woche für alle Schülerinnen und Schüler Teil des Lebens, des Denkens und Fühlens geworden. Schon lange angekündigt, aber wegen Corona um Monate verschoben, war es jetzt von Montag bis Freitag der zweiten Schulwoche soweit.
Viele Helfer hatten schon am Sonntag Nachmittag das Zirkuszelt aufgestellt, welches nun in Rot und Gelb den eintreffenden Schülern und Schülerinnen entgegenrief: Kommt, wir machen Zirkus!
Schulkinder werden zu Fakiren und Zauberern, Kindergärtner zu Jongleuren, Jugendliche zu Clowns und Ansagerinnen und Lehrkräfte zu Dompteuren, wie sie es das ganze Jahr über schon sind. Ab Montag Morgen gibt es keine Schule mehr. Jede und jeder übt nun in der Gruppe, zu der sie/er sich angemeldet hat. Die Kinder, Jugendlichen und Lehrpersonen werden beraten, motiviert und unterstützt von Zirkusprofi Pepe Cadonau und seinem Sohn Gian. Wann ist ein Clown wirklich lustig, welche Nummern sind sichere Werte in einer Vorstellung, wie führe ich eine Zehnjährige daran heran, sich auf ein Nagelbrett zu legen, und was gilt es in Sachen Sicherheit zu bedenken, damit ein Salto nicht im Spitalbett landet?
Während der ersten Tage wird beobachtet, wer sich an welches Gerät heranwagt oder Geschick für eine „Nummer“ zeigt. Die Interessierten bekommen Tipps, wie sich eine Darbietung leichter, schneller, eleganter oder wirkungsvoller zeigen lässt. Denn die Wirkung auf das Publikum ist das Aaahhh und Ooohhh einer Zirkusvorstellung. „Und wenn euch mal was runterfällt oder ein Kunststück misslingt, dann lacht übers ganze Gesicht!“, rät Pepe. Er versprüht vom Morgen früh bis zum Ende des Trainings gute Laune und Optimismus und ist nie um einen Scherz oder eine Clowneinlage verlegen. Jeden Morgen strömen alle Beteiligten erwartungsvoll ins Zirkuszelt zur Besprechung des Tages. Nach der Begrüssung per Ellbogen -„Hallo Pepe“ – gibt es das Ritual der Morgengeschichte, bei der alle mit Stimme, Gesten und Mimik die dramatische Stimme des Chefs ausschmücken. Alle sind voll dabei und die gute Laune auf einem ersten Höhepunkt. Diese positive Stimmung überträgt sich auf das ganze Betreuerteam und die Akteure, die schon am Freitag in der Manege stehen sollen. „Und wenn ihr auch am Donnerstag noch fast verzweifelt und denkt, dass eure Nummer nieeeee klappen wird – es wird gut werden, glaubt mir!“
Und so hängen sich alle rein, geben ihr Bestes, üben in der Turnhalle, in Rhythmikräumen und umgestellten Schulzimmern, stellen Getränke bereit (es soll ziemlich heiss werden), drucken Eintrittsbillette, stellen Sonnenschirme auf, bereiten Begrüssungsreden vor oder dokumentieren das Geschehen mit der Fotokamera. Gegen Ende der fünf Tage steigt die Anspannung, ob alles klappen wird und ob an alles gedacht wurde: Wo werden die Kostüme gelagert? Wer braucht noch eine andere Kleidergarnitur? Wann schminken wir uns? Wie wird eine Krawatte gebunden? Wo stecken die Bücher, die der Kraftmensch zerreissen wird? Und während man die Fragen zu beantworten sucht, will auch gleichzeitig der Haufen Flöhe gezähmt werden, der mit Jonglierbällen herumläuft, einen Teller für die Stabjonglage sucht oder einen Trick vorzeigen will. Doch die Lehrerinnen, Lehrer und Assistentinnen verstehen es, mit Ritualen und gemeinsamen Übungen Ruhe und Ordnung in die bunte Truppe zu bringen. Sie loben und ermuntern, so dass vom Kleinsten bis zur Grössten alle ihren Teil beitragen und einen Moment im Rampenlicht geniessen können. Aus einem „Das kann ich nicht“ wird ein „Ich versuch’s mal“, und Kinder, die vorher nichts miteinander zu tun hatten, arbeiten jetzt problemlos zusammen, als ob es nie anders gewesen wäre.
Der Tag der Aufführung naht, und die Abfolge der Nummern im ganzen Programm wird festgelegt, jede Gruppe choreografiert die Einzelteile ihres Blocks bis ins Detail und übt – nun mit passender Musik untermalt – reibungsärmere Abläufe.
Vieles läuft gut, einiges harzt noch und manche Artisten durchlaufen vor Nervosität eine Stimmungsachterbahn:“Ich mach nicht mit!“
Und dann ist der grosse Moment da: Die Sonne begrüsst die Gäste, Eltern und alle Sponsoren, die diese Woche erst möglich gemacht haben. Ein Drehorgelspieler zaubert Feststimmung auf die Wiese und das Zelt füllt sich mit Schutzmaskenträgern. Diese Dinger schützen aber nicht vor der ansteckend guten Atmosphäre, die sich ums und im Zelt verbreitet hat. Pepe begrüsst das Publikum gewohnt enthusiastisch und schon geht’s los.
I like to move it, move it! Mitreissend zeigen Akrobaten ihre Sprungrollen und Körperjonglagen und schlagen Räder. Clowns in der Rolle als Zirkusorchester bringen die Dirigentin zum Verzweifeln. Kraftmenschen verbiegen Eisenstangen, zertrümmern Bretter und stemmen Hanteln, als ob sie nicht zentnerschwer wären. Zauberer hängen einen Krug ohne Knoten an einem losen Seil auf. Fakire gehen über Glasscherben und lassen sich Finger und Hand anzünden. Mutige Jungs und Mädchen klettern wie Eichhörnchen am Doppeltrapez hoch und zeigen kühne Figuren. Und ein Clownknirps steht mit je einem Fuss auf den oberen Stufen zweier Leitern und strahlt! Denn diese Woche und diese Vorstellung haben den riesigen Applaus verdient, der nun aufbrandet.
Jörg Bärlocher – Klassenlehrer BFK